19 August 2024

Yann Sommer tritt mit einem Lächeln ab

Wenige Wochen nach Xherdan Shaqiri erklärt ein zweiter bedeutender Schweizer Nationalspieler seinen Rücktritt. Yann Sommer macht mit 35 Jahren den Platz frei für Gregor Kobel.

Gut gelaunt und mit emotionalen Worten verabschiedete sich Yann Sommer von der Nationalmannschaft. Wer erwartet hatte, einen geknickten ehemaligen Nationalgoalie zu sehen, wurde positiv überrascht. Zwar erzählte Sommer, dass ihm Nationalcoach Murat Yakin für die Zukunft keine Stammplatz-Garantie geben konnte, das sei aber Teil des Business. Kein Groll vom langjährigen Schlussmann im Schweizer Nationalteam, der schon immer für Positivität gestanden hat. Im Gegenteil: „Der Austausch mit dem Trainerstaff war ehrlich. Ich habe das geschätzt.“

In einem Hotel am Zürcher Flughafen erzählte Sommer mit viel Leidenschaft von den Erlebnissen – den jüngsten wie die Europameisterschaft in Deutschland und weiter zurückliegenden wie seine ersten Länderspiele vor zwölf Jahren und dem Beginn seiner Ära als Nachfolger von Diego Benaglio. Stolz und Vorfreude habe ihn damals erfüllt. „Es war eine wunderbare Reise“, zog er als Fazit. Nationalmannschafts-Direktor Pierluigi Tami lobte ihn in einer Videobotschaft als „als ein Beispiel für alle“, sowohl als Goalie als auch als Mensch.

Mit nur wenigen Länderspielen als Erfahrungsschatz avancierte Sommer nach der WM 2014, die er als Ersatzkeeper miterlebt hatte, zum Unverzichtbaren. Seither verpasste er nur wenige Länderspiele und ein einziges davon an einer der letzten fünf Endrunden. Seine anfänglichen Konkurrenten, Roman Bürki und Marwin Hitz, gingen angesichts der klaren Hierarchie nach einigen Jahren als Ersatzkeeper vorzeitig in den Nati-Ruhestand.

Mit seinen 94 Länderspielen liegt Sommer in den Top 10 der Schweizer Nationalspieler mit den meisten Einsätzen, kein Goalie war öfters für die Nati im Einsatz als der 35-Jährige, der nach den Spielen oftmals als Erster vor den TV-Kameras seine Analyse abgab. Zählt man seine Einsätze in den Junioren-Nationalteams dazu, kommt er auf über 150 Spiele im Schweizer Trikot. Mit der U21 stand er 2011 im EM-Final. „Ich musste es mir auch nochmals vorsagen: Seit ich 15 Jahre alt war, bin Schweizer Nati-Goalie.“

Mit der A-Nationalmannschaft überstand Sommer an jedem bestrittenen grossen Turnier die Vorrunde, an den Europameisterschaften 2021 und 2024 kam das Out erst im Viertelfinal. Unvergessen ist seine Parade im Achtelfinal in Bukarest gegen Kylian Mbappé, mit der er das Penaltyschiessen gegen Frankreich entschied. Sein 94. und letztes Länderspiel bestritt er im Juli beim Penalty-Out gegen England im EM-Viertelfinal. Es sei nun der richtige Zeitpunkt gekommen, um Abschied von der Nationalmannschaft zu nehmen.

Den Entscheid zum Nati-Rücktritt fällte Sommer nach den Ferien und noch vor den Gesprächen mit dem Trainerstaff um Goalietrainer Patrick Foletti und Coach Murat Yakin. Dass Yakin dem Vernehmen nach nicht die ganz grossen Anstrengungen unternahm, um ihn vom Rücktritt abzubringen, stört den Keeper nicht: „Das gehört dazu. Wir haben das Glück, in der Schweiz seit Jahren sehr viele gute Goalies zu haben.“

Mit Gregor Kobel steht ein Nachfolger zur Verfügung, der zwar erst fünf Länderspiele bestritten hat, sich im Klub aber schon ausreichend bewiesen hat. Der Spieler von Borussia Dortmund gilt seit mehreren Saisons als der beste Goalie in der Bundesliga und schielte dementsprechend ungeduldig auf die Nummer-1-Postion in der Schweizer Nationalmannschaft.

Trotz der beeindruckenden Referenzen wird der Zürcher allerdings einiges leisten müssen, um seinen Vorgänger vergessen zu machen. Yann Sommer war mit seiner Konstanz entscheidend am erfolgreichsten Jahrzehnt der Schweizer Nationalmannschaft beteiligt, und er wird weiterhin seine eigene Geschichte schreiben. Sein Vertrag mit Inter Mailand läuft noch bis 2026. Von einem kompletten Abschied vom Fussball will er noch gar nichts wissen: „Ich habe immer noch Gänsehaut, wenn ich in Mailand aufs Spielfeld laufe. Das sagt mir: ‚Du machst das Richtige!'“

(text:sda/bild:keystone)