23 August 2023

Ukrainer*innen beharren auf Souveränität – Die Nacht im Überblick

Eine grosse Mehrheit der Ukrainer*innen hat sich in einer Umfrage gegen Kompromisse mit dem Kriegsgegner Russland im Tausch für einen Friedensschluss ausgesprochen. Den am Dienstag veröffentlichten Ergebnissen zweier renommierter Institute zufolge sind mehr als 90 Prozent der rund 2000 Befragten gegen Gebietsabtretungen. Knapp 74 Prozent schlossen den Verzicht auf einen Nato-Beitritt aus.

In der Umfrage lehnten 80 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Reduzierung der Truppenstärke der ukrainischen Armee zu Friedenszeiten ab. Zugleich erwarteten nur noch knapp 49 Prozent von ihnen eine positive Entwicklung der Ereignisse im eigenen Land. Im Dezember vergangenen Jahres waren es nach der erfolgreichen Vertreibung der russischen Besatzer aus der Nordukraine und grossen Teilen der Gebiete Charkiw und Cherson noch fast 60 Prozent gewesen. Die Umfrage wurde in den von der Regierung kontrollierten Regionen ohne die Gebiete Luhansk, Donezk und die Krim-Halbinsel durchgeführt.

Die Ukraine erwehrt sich seit fast 18 Monaten mit massiver westlicher Hilfe einer russischen Invasion. Zu den russischen Forderungen gehört der Verzicht auf ukrainisches Staatsgebiet im Osten und Süden einschliesslich der 2014 annektierten Krim. Die Ukraine solle zudem vom in der Verfassung verankerten Beitritt zum westlichen Militärbündnis Nato absehen, einer weitgehenden Entmilitarisierung zustimmen und der russischen Minderheit im Land mehr Rechte zugestehen.

Moskau kontrolliert derzeit fast 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets – sieht sich aber zunehmend auch auf eigenem Boden mit nadelstichartigen Gegenangriffen konfrontiert. Wie schon am Dienstagmorgen hallten auch in der Nacht zu Mittwoch krachende Explosionen durch die Millionenstadt Moskau. Zwei ukrainische Drohnen seien abgeschossen worden, teilte das russische Verteidigungsministerium laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass mit. Bei einem dritten Flugroboter habe die Luftabwehr das Steuerungssystem gestört, daraufhin sei er in ein noch nicht fertiggestelltes Gebäude in einem Hochhausviertel der Stadt gekracht. Opfer gab es demnach keine. Der Betrieb an den Hauptstadtflughäfen sei nach kurzer Unterbrechung wieder aufgenommen worden.

Selenskyj dankt EU-Ländern für Militär- und Aufbauhilfe

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen seiner mehrtägigen Reise durch europäische Hauptstädte und dankte den Ländern für zugesagte Militär- und Aufbauhilfe. „Es gibt Flugzeuge für die Ukraine. Es gibt zusätzliche Panzertechnik und wir stärken die Luftabwehr“, sagte er am Dienstag in seiner täglichen Videoansprache. Aufgenommen worden war sie diesmal in einem Zug, mit dem Selenskyj nach einer Reise durch verschiedene EU-Länder zurück nach Kyjiw fuhr.

Nach Aufenthalten in Schweden, den Niederlanden und Dänemark habe er am Ende Griechenland besucht und gleich mehrere Staats- und Regierungschefs der Balkan-Region gesprochen, erklärte Selenskyj. Dänemark und die Niederlande hatten der Ukraine zuletzt die Lieferung von westlichen Kampfjets des Typ F-16 zugesichert. Bei Griechenland bedankte sich Selenskyj nicht nur für die Waffenhilfe, sondern auch für die Zusage, die Schirmherrschaft für den Wiederaufbau der durch russische Raketen- und Drohnenangriffe mehrfach getroffenen ukrainischen Hafenstadt Odessa zu übernehmen.

Putin weist Schuld für Bruch des Getreideabkommens von sich

Währenddessen erneuerte Russlands Präsident Wladimir Putin während eines Auftritts beim Brics-Gipfel in Südafrika seine Kritik am Westen und der Ukraine. So sei das Getreideabkommens mit der Ukraine ausgesetzt worden, weil keine der vertraglich festgehaltenen Bedingungen zur Erleichterung des Exports von russischem Getreide und Dünger erfüllt worden sei. „Die Verpflichtungen gegenüber Russland diesbezüglich wurden einfach ignoriert“, behauptete er am Dienstag in einer per Video übertragenen Rede beim Treffen der Brics-Gruppe wichtiger Schwellenländer in Südafrika.

Moskau werde die Blockade ukrainischer Häfen erst dann aufheben und zum Abkommen zurückkehren, wenn alle russischen Forderungen erfüllt seien, so Putin. Zugleich bot er an, ukrainische Getreidelieferungen auf dem Weltmarkt durch russische Transporte zu ersetzen, „sowohl auf kommerzieller Basis als auch durch unentgeltliche Hilfe an die bedürftigen Länder“. Die im vergangenen Sommer unter Vermittlung der UN und der Türkei geschlossene Vereinbarung zur Ausfuhr ukrainischen Getreides hatte Moskau trotz internationaler Warnungen vor einer Lebensmittelkrise Mitte Juli ausgesetzt.

Medien: Ranghoher russischer General Surowikin abgesetzt

Der im Krieg gegen die Ukraine wichtige Chef der russischen Luft- und Raumfahrttruppen, General Sergej Surowikin, ist laut Medien zwei Monate nach dem Aufstand der Söldnertruppe Wagner seines Amtes enthoben worden. Surowikin bleibe aber unter der Verfügungsgewalt des Verteidigungsministeriums, schrieb der Ex-Chefredakteur des aufgelösten liberalen Radiosenders Echo Moskwy, Alexej Wenediktow, am Dienstag auf seinem Telegram-Kanal unter Berufung auf einen offiziellen Erlass. Der Erlass selbst wurde zunächst nicht veröffentlicht, allerdings berichteten auch mehrere nationalistische russische Militärblogs über die Ablösung Surowikins.

Surowikin war von Oktober 2022 bis Januar 2023 Oberbefehlshaber der russischen Einheiten in der Ukraine gewesen. Er galt als einer der wichtigsten Verbündeten des Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin in der regulären russischen Armee bei dessen Machtkampf mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow. Den Aufstand der Wagner-Truppe Ende Juni verurteilte Surowikin zwar öffentlich, trotzdem wurde er anschliessend laut politischen Beobachtern kaltgestellt.

Biden-Berater: Weiter parteiübergreifende US-Unterstützung für Kyjiw

Die US-Regierung sichert der Ukraine weiterhin langfristige Unterstützung zu – trotz anderslautender Töne aus Teilen der Republikanischen Partei. Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, sagte am Dienstag, es gebe sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat starke republikanische und demokratische Stimmen in wichtigen Führungspositionen, die sich für die Fortsetzung der finanziellen Unterstützung für Kyjiw einsetzten. Die Regierung gehe daher davon aus, dass die Hilfe für Kyjiw aufrechterhalten werde, auch wenn es auf republikanischer Seite einige abweichende Stimmen gebe.

(text:sda/bild:unsplash)