Tumulte bei Besuch von König Felipe im Unwettergebiet
Spaniens König Felipe VI. und Königin Letizia wollten eigentlich in den Unwettergebieten nahe der Mittelmeermetropole Valencia den Einwohnern zweier besonders stark verwüsteter Orte Trost spenden – und stiessen auf blanke Wut. Fünf Tage nach der Katastrophe mit mindestens 217 Toten und nur schleppend angelaufener staatlicher Hilfe kam vielen der Akt von Solidarität offenbar zu spät. In dem ersten Ort Paiporta warfen aufgebrachte Einwohner sogar Schlamm in Richtung des Königspaars, das von Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez und dem Präsidenten der Region Valencia, Carlos Mazón, begleitet wurde.
Andere riefen „Mörder“ und „Rücktritt“ oder „Greift zur Schaufel und packt mit an“, wie in den TV-Übertragungen zu hören war. Das staatliche Fernsehen RTVE übertrug live und zeigte Königin Letizia, wie sie mit Schlammspuren im Gesicht und an den Händen, in den Haaren und der Kleidung sichtlich mitgenommen mit einer Frau sprach. Was Letizia vielleicht als Trost spendete, war nicht zu hören.
Auch König Felipe VI. versuchte, Anwohner zu trösten, umarmte auch zwei jüngere Bewohner, wie RTVE zeigte. Nach ersten Schlammwürfen setzte er seine Versuche fort, seine Sicherheitsleute spannten dafür einen Regenschirm auf, der ihn schützen sollte. Doch schliesslich brachten sie ihn an einen sicheren Ort. Angesichts der äusserst angespannten Lage wurde der auch geplante Besuch des Ortes Chiva verschoben, wie RTVE berichtete.
Mittlerweile fast 4.000 Soldaten im Einsatz
Spanische Reporter kommentierten, es habe sich die ganze Wut der Menschen entladen, die sich in den ersten Stunden und Tagen nach den Unwettern vom Staat und staatlicher Hilfe im Stich gelassen fühlten. Viele hätten alles verloren, warteten zum Teil immer noch etwa auf Babynahrung für ihre Kinder oder darauf, dass die vor Häusern und in Strassen von den Wassermassen aufgetürmten Autos weggeschleppt werden.
Etliche Menschen gelten zudem weiter als vermisst – eine offizielle Zahl gibt es nach wie vor nicht, aber einige spanische Medien schreiben sogar von bis zu 2.000. Die Bergungsarbeiten liefen immer intensiver ab – auch dank des verstärkten Militärs. Bis Samstagabend waren mehr als 3.600 Militärangehörige in den Ortschaften nahe der Grossstadt Valencia im Einsatz. Sánchez hatte angekündigt, das Militär vor Ort um weitere 5.000 Soldaten aufzustocken und auch 5.000 Polizisten zu entsenden.
Schwierige Suche in Tunneln und überfluteten Tiefgaragen
Vor allem in Tunneln und überfluteten Tiefgaragen oder Parkhäusern stellt sich die Suche besonders schwierig dar, da dort das Wasser den Einsatzkräften zum Teil bis zur Brust reicht, wie auf Videos von den Einsätzen zu sehen ist.
Auch dank vieler Freiwilliger kommen die Aufräumarbeiten mittlerweile voran, auch die Stromversorgung funktioniert zum grossen Teil wieder. Am Samstag waren Tausende von der Stadt Valencia aus in Bussen in einige Dörfer gebracht worden, doch manche Bürgermeister wie etwa in Chiva hätten sie gar nicht mehr benötigt, schrieb die Zeitung „ABC“.
In dem Gebiet westlich und südlich der Stadt Valencia verursachte vor allem ein Fluss einen Grossteil der Zerstörung: Ein sonst eher trockenes Bachbett hatte sich mit den heftigen Regenfällen vom Dienstag in einen reissenden Strom verwandelt und war Richtung Meer durch mehrere Ortschaften gerast.
Andalusische Provinz Almería im Unwetter-Fokus
Das Unwetterphänomen „Kalter Tropfen“ hält sich derweil weiter über Spaniens Mittelmeerküste auf. Die höchste Warnstufe Rot rief der Wetterdienst Aemet zunächst bis Sonntagabend für Teile der Provinz Almería in der Region Andalusien ganz im Süden Spaniens aus. Menschen sollten dort möglichst zu Hause bleiben, mahnten die Behörden.
Rot galt am Sonntagabend auch für den südlichen Teil der Region Valencia, während die zweithöchste Warnstufe Orange in anderen Teilen derselben Region in Kraft war. Am Dienstag, als Aemet zufolge die schlimmsten Unwetter dieses Jahrhunderts über der Region Valencia wüteten, hatte die höchste Warnstufe Rot gegolten. Bisher wurden allein dort 210 Tote geborgen.
Schlimmste Naturkatastrophen der letzten Jahrzehnte
Zu Spaniens schlimmsten Naturkatastrophen der vergangenen 75 Jahre gehört – gemessen an der Zahl der Toten – die Überschwemmung von Biescas in der nördlichen Region Aragonien im Jahr 1996. Damals starben 87 Menschen, als nach heftigem Regen ein Campingplatz in dem in den Pyrenäen gelegenen Ort überschwemmt wurde. Auch die Überschwemmung des Flusses Turia nahe Valencia im Jahr 1957 gilt als eine der schwersten. Damals kamen zwischen 80 und 100 Menschen ums Leben.
(text:sda/bild:keystone)