Ständerat will keinen Beitritt zum Uno-Migrationspakt
Die Schweiz soll nach dem Willen des Ständerats dem Uno-Migrationspakt weiterhin nicht beitreten. Eine Mehrheit sieht keine konkreten Vorteile eines Beitritts, vielmehr überwögen die Risiken.
Die kleine Kammer folgte am Dienstag der Mehrheit ihrer Aussenpolitischen Kommission. In der Gesamtabstimmung nahm der Rat den Bundesbeschluss mit 26 zu 7 Stimmen bei elf Enthaltungen an. Die SVP-Fraktion stimmte geschlossen mit Nein. Die Enthaltungen kamen von der Ratslinken sowie von GLP-Ständerätin Tiana Angelina Moser (ZH). Als Nächstes muss sich der Nationalrat mit der Sache befassen.
Die Kommissionsmehrheit vertrat die Ansicht, den migrationspolitischen Interessen der Schweiz sei besser gedient, wenn diese sich bei Abstimmungen über den Pakt in der Uno-Vollversammlung wie bisher der Stimme enthalte. Zugleich solle die Schweiz im Rahmen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mit anderen Staaten zusammenarbeiten.
Im Grunde ging es nur darum, ob die Schweiz dem Präsidenten der Uno-Vollversammlung einen Brief schreibt und ihre Haltung klarmacht. Bei den Vereinten Nationen werde der Pakt nicht erneut traktandiert, machte Benedikt Würth (Mitte/SG) namens der vorberatenden Kommission klar. Dennoch entwickelte sich eine Grundsatzdebatte.
Der Uno-Migrationspakt wurde im Dezember 2018 von der Uno-Generalversammlung verabschiedet. Er hält Massnahmen fest, um die Migration grenzüberschreitend zu ordnen. Dabei geht es unter anderem um die Hilfe in den Herkunftsländern von Migranten, um deren Rechte, aber auch um die Sicherung von Grenzen und die Bekämpfung von Schlepperbanden.
Nach Auskunft der Verwaltung habe die Enthaltung für die Schweiz bislang keine Nachteile gebracht, sagte Komissionsssprecher Würth. Zudem kritisierte er, der Pakt sei im Grunde auf Migrationsförderung ausgelegt.
„Ich habe selten so ein unehrliches, realitätsfremdes Papier gesehen“, sagte Beat Rieder (Mitte/VS). Der Pakt sei offenbar von Diplomaten für Diplomaten geschrieben worden.
Rieders Kritik zielte darauf, dass der Migrationspakt einseitig positive Auswirkungen von Migration betone. Dies gehe an den politischen Realitäten vorbei: „Schauen Sie auf das Mittelmeer“, sagte er an seine Ratskolleginnen und Kollegen gerichtet.
Der Bundesrat wollte den Pakt eigentlich schon 2018 unterzeichnen, verzichtete aber darauf, weil das Parlament Mitsprache verlangte. Die Diskussion drehte sich damals um die Auswirkungen von sogenanntem „Soft Law“. Aus der Unterschrift unter den Migrationspakt ergeben sich für Staaten direkt keine Verpflichtungen, ein Beitritt ist aber politisch bedeutsam.
Eine Kommissionsminderheit aus SP und GLP trat erfolglos dafür ein, die Schweiz solle sich den Zielen des Pakts anschliessen. Ihr Antrag scheiterte mit 12 zu 31 Stimmen.
Der Pakt bekräftige ausdrücklich das Recht einzelner Staaten, selbst die Migration zu steuern, hob Carlo Sommaruga (SP/GE) hervor. Er sei ein Referenzrahmen auf internationaler Ebene, ob das dem Rat gefalle oder nicht.
Auch Aussenminister Ignazio Cassis argumentierte, der Pakt könne Gespräche mit Herkunftsländern von Migranten erleichtern. Dies, da er eine „gemeinsame Sprache“ bringe.
„Man kann ein Problem bewirtschaften, oder man kann versuchen, es zu lösen“, sagte Daniel Jositsch (SP/ZH). Flüchtlingsströme seien eine Realität. Kein Land dieser Erde sei in der Lage, das Problem zu lösen.
Mit einer Ablehnung würde sich die Schweiz dem Prozess der Lösungsfindung auf internationaler Ebene verweigern, so der Zürcher Ständerat: „Damit entscheiden Sie eines: Sie werden keine Lösung finden.“
Marco Chiesa (SVP/TI) und Mauro Poggia (MCG/GE) wollten dagegen im Bundesbeschluss festgehalten haben, dass die Schweiz die Prinzipien des Pakts rundweg ablehne. Ihr Minderheitsantrag wurde ebenfalls abgelehnt – mit 30 zu 13 Stimmen.
„Wir alle Wissen, dass dieser Pakt aussergewöhnliche Risiken mit sich bringt“, sagte Chiesa. Denn „Soft Law“ entwickle sich oft zum politischen oder moralischen Zwang.
Bereits bei der Ratifizierung des Migrationspakts in der Uno-Vollversammlung im Oktober 2018 hatten fünf Länder mit Nein gestimmt – nämlich die damals von Donald Trump regierten USA, Israel sowie Polen, Tschechien und Ungarn. Auch sie argumentierten, die staatliche Souveränität drohe durch das Vertragswerk eingeschränkt zu werden. Mehrere Staaten, darunter Australien und Italien, enthielten sich wie die Schweiz der Stimme.
(text:sda/bild:keystone)