Zürcher Staatsanwältin fordert Freiheitsstrafe für Bauunternehmer
Ein Bauunternehmer soll Arbeiter aus Ungarn und Moldawien mit falschen Versprechungen in die Schweiz gelockt haben: Die Zürcher Staatsanwaltschaft will ihn nun wegen Menschenhandels für acht Jahre und vier Monate im Gefängnis sehen.
Mit seinen Jobangeboten in den beiden von Arbeitslosigkeit geplagten Ländern habe der 42-Jährige „eine Angelrute mit einem sehr dicken Wurm als Köder in einen Teich voller hungriger Fische geworfen“, hielt die Staatsanwältin am Mittwoch in ihrem Plädoyer vor dem Bezirksgericht Zürich fest.
Doch von diesem Wurm – all den Versprechungen von hohen Löhnen, von Vorschüssen, von Benzingeld und einer Unterkunft – blieb am Ende nicht viel übrig. Angekommen in der Schweiz behandelte der Unternehmer seine Mitarbeiter laut der Staatsanwältin wie Menschen zweiter oder dritte Klasse. „Für ihn waren sie Spielfiguren, die er nach seinem Willen einsetzen konnte.“
Muckte einer von ihnen wegen fehlender Lohnzahlung, den 70-Stunden-Wochen oder der überfüllten, verschimmelten Altbauwohnung auf, soll der Unternehmer die Männer mit einem Elektroschocker, der Polizei oder der Kündigung gedroht haben. Ein fairer Chef wollte der Schweizer dabei gar nicht sein, wie die Staatsanwältin anmerkte. Er habe sich vielmehr damit gebrüstet, dass ihn die Arbeiter als Teufel bezeichnet hätten.
Die Anklageschrift listet akribisch 23 Fälle auf: Der beschuldigte Unternehmer soll zwischen 2012 und 2016 zu verschiedenen Zeitpunkten sieben ungarische und 16 moldawische Trockenbauer ohne schriftliche Arbeitsverträge beschäftigt und ausgebeutet haben.
Statt des in Aussicht gestellten Lohnes soll er ihnen nur einige tiefe Pauschalbeträge ohne Überzeit, Spesen und Ferien ausbezahlt haben. Die Arbeiter kamen gemäss Anklageschrift auf Stundenlöhne, die zwischen 80 Rappen und 9 Franken lagen – sofern sie denn überhaupt Löhne erhielten.
Der Beschuldigte habe „eine betrügerische Walzenfahrt durch mehrere Kantone und quer durch die Sozialversicherungen“ unternommen, meinte die Staatsanwältin. Steuern und Abgaben habe der Mann nicht gezahlt.
Am Geld für GAV-konforme Löhne und Steuern hätte es ihm gemäss Staatsanwältin dabei durchaus nicht gefehlt: Indem er Gipserarbeiten zu tief offerierte, zog er zahlreiche prestigeträchtige Bauaufträge an Land und erhielt grosse Akonto-Zahlungen auf das Firmenkonto.
Doch dieses Geld sei im undurchsichtigen Firmengeflecht des einschlägig vorbestraften 42-Jährigen verschwunden, der die Geschäftskonten „wie ein grosses Portemonnaie“ für sich benutzt habe, sagte die Staatsanwältin.
Über 600’000 Franken soll der Mann aus seinen diversen Firmen, die er immer wieder gründete und in Konkurs gehen liess, für sich bezogen haben, um damit beispielsweise ein Haus zu mieten, in die Ferien zu reisen oder einen Ferrari zu kaufen. Die Staatsanwältin warf dem Unternehmer deshalb – neben zahlreichen weiteren Delikten – auch ungetreue Geschäftsbesorgung und Misswirtschaft vor.
Der beschuldigte 42-Jährige, der von Februar 2017 bis Januar 2020 in Untersuchungshaft sass, äusserte sich an der ernstinstanzlichen Verhandlung nicht. Er blieb dem auf zwei Tage anberaumten Prozess mit Erlaubnis des Gerichts fern.
Sein Verteidiger wird sein Plädoyer am Donnerstag halten. Er kündigte aber bereits am Mittwoch an, Teilfreisprüche verlangen zu wollen – insbesondere den Vorwurf des Menschenhandels weise sein Mandant zurück. Der Zeitpunkt der Urteilseröffnung ist unbekannt.
(text:sda/bild:unsplash-symbolbild)