19 Juni 2024

So sieht der Bundesrat die Zukunft der SRG

Der Bundesrat lehnt die Halbierungsinitiative aus den Reihen der SVP ab, will die SRG aber durch eine Senkung der Radio- und Fernsehabgabe zum Sparen zwingen, wie er am Mittwoch beschloss. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

WAS FORDERT DIE SRG-INITIATIVE?

Die eidgenössische Volksinitiative „200 Franken sind genug! (SRG-Initiative oder Halbierungsinitiative)“ verlangt, die Radio- und Fernsehabgabe für Haushalte auf 200 Franken pro Jahr zu senken und Unternehmen gänzlich von der Abgabepflicht zu befreien. Wie die vor sechs Jahren deutlich abgelehnte No-Billag-Gebühren, welche die Abschaffung der Radio- und TV-Abgabe forderte, kommt auch dieses Volksbegehren aus Kreisen der SVP.

WAS SAGT DER BUNDESRAT ZUM VOLKSBEGEHREN?

Der Bundesrat lehnt die Initiative ab, weil sie aus seiner Sicht zu weit geht. Der Abgabenanteil der SRG würde von heute 1,25 Milliarden Franken auf rund 630 Millionen Franken sinken. Die daraus entstehenden Konsequenzen für das Angebot der SRG und ihre Verankerung in den Sprachregionen wären laut dem Bundesrat zu schwerwiegend. Die SRG benötige ausreichend finanzielle Mittel, um in allen Sprachregionen ein gleichwertiges publizistisches Angebot bereitstellen zu können. Ein Ja zur Initiative würde dem Medienplatz insgesamt Schaden zufügen, sagt Medienminister Albert Rösti.

SIEHT DER BUNDESRAT TROTZDEM HANDLUNGSBEDARF?

Ja. Wie von den Initiantinnen und Initianten gefordert, will auch er die Haushalte und die Unternehmen finanziell entlasten. Diese bezahlten zunehmend auch für die Nutzung zahlungspflichtiger in- und ausländischer Fernsehangebote sowie von Audio- und Video-Streamingangeboten. Der Bundesrat beschloss zum einen, die Radio- und Fernsehabgabe für Haushalte bis zum Jahr 2029 schrittweise auf jährlich 300 Franken zu senken. Zum anderen werden ab 2027 rund 80 Prozent der mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen von der Abgabe befreit. Die Landesregierung setzt dies mit einem Gegenprojekt auf Verordnungsstufe um. Dagegen kann kein Referendum ergriffen werden.

WAS BEDEUTET DAS FÜR DIE SRG?

Die schrittweise Senkung der Abgabe verschafft der SRG dem Bundesrat zufolge „Spielraum, um Sparmassnahmen zu planen und umzusetzen“. 2029 wird die SRG nach heutigen Schätzungen noch einen Abgabenanteil von rund 1,2 Milliarden Franken erhalten – das sind rund 120 Millionen Franken weniger als heute. Da der SRG der Teuerungsausgleich künftig nicht mehr oder nicht mehr vollumfänglich gewährt werden kann, wird auch dies Mindereinnahmen zur Folge haben. Laut Medienminister Albert Rösti wird die SRG wegen des wegfallenden Teuerungsausgleichs schon ab 2025 sparen müssen.

AUF WAS SOLL DIE SRG VERZICHTEN?

Darüber soll erst später diskutiert werden. Der Bundesrat hat die laufende SRG-Konzession bis Ende 2028 verlängert – mit der Begründung, dass der Finanzrahmen des medialen Service public erst nach der Abstimmung zur SRG-Initiative klar sein werde. Er werde die neue SRG-Konzession den verfügbaren Mitteln entsprechend ausarbeiten. Grundsätzlich unterstützt der Bundesrat auch künftig „eine starke SRG“, wie er schreibt. Er will deren Auftrag jedoch verstärkt auf Information, Bildung und Kultur sowie auf die neuen Nutzungsgewohnheiten des Publikums ausrichten. Das Online-Angebot soll stärker auf Audio- und Videoinhalte ausgerichtet werden.

WAS SAGT DIE SRG DAZU?

Die SRG geht früheren Angaben zufolge davon aus, dass die Reduktion der Medienabgabe auf 300 Franken zu Mindereinnahmen von rund 240 Millionen Franken und zu einem Abbau von rund 900 SRG-Stellen in allen Regionen führen wird. Die Massnahme habe auch Auswirkungen auf die Sportberichterstattung bei Grossveranstaltungen. Die Zahl der unterstützten Schweizer Serien und Filme und die Übertragung von Kulturveranstaltungen müssten reduziert werden.

WIE SIND DIE REAKTIONEN AUF DEN HEUTIGEN ENTSCHEID?

Insbesondere linke Kreise zeigten sich empört. Mit der Verordnungsänderung schaffe die Landesregierung noch vor der Beratung der Initiative Tatsachen. Nicht zuletzt widerspreche das den demokratischen Gepflogenheiten. Schockiert zeigte sich das Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM). Die Landesregierung setze die umstrittene Teilrevision trotz immenser Kritik durch, schrieb die Mediengewerkschaft. Ohne Rücksicht auf die Kommissionen, ohne Not, ohne Parlament und ohne Volksabstimmung entziehe der Bundesrat dem Service public Millionen.

IST NUN ALLES IN TROCKENEN TÜCHERN?

Nein. Zwar kann sich auch das Parlament nicht mehr weiter äussern zur beschlossenen Verordnungsänderung. Es kann den Bundesrat aber übersteuern, indem es beispielsweise einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative auf Gesetzesstufe ausarbeitet. Dies ist durchaus möglich. In der Vernehmlassung wurde das Vorgehen des Bundesrats teils heftig kritisiert. Viele wünschen sich vor der Bezifferung der finanziellen Mittel eine Diskussion über den Umfang und den Inhalt des Service public. Sollte das Parlament gesetzliche Anpassungen beschliessen, wird der Bundesrat entscheiden müssen, wie er mit den vorgesehenen Abgabenanpassungen auf Verordnungsstufe umgeht und diese mit Blick auf den Entscheid des Parlaments überprüfen.

WAS IST MIT DEN PRIVATEN MEDIEN?

Der Bundesrat sieht vor, die konzessionierten Lokalradios und Regionalfernsehen von den Konsequenzen der Abgabensenkung auszunehmen. Offen ist die Umsetzung zweier parlamentarischer Initiativen. Diese sehen einerseits die Erhöhung der Abgabenanteile für konzessionierte Lokalradios und Regionalfernsehen von heute 4 bis 6 Prozent auf neu 6 bis 8 Prozent vor, andererseits die finanzielle Unterstützung der Aus- und Weiterbildung, der Selbstregulierung der Branche sowie der Agenturleistungen.

(text:sda/bild:keystone)