2 November 2024

Selenskyj: Brauchen Waffen gegen nordkoreanische Soldaten

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat das Fehlen von Waffen beklagt, um die an die Front heranrückenden nordkoreanischen Soldaten in den Diensten der russischen Arme zu bekämpfen. „Wir können alle Orte sehen, wo sich diese nordkoreanischen Soldaten aufhalten, jedes Lager“, sagte er in seiner allabendlichen Videoansprache. „Wir könnten vorab zuschlagen, wenn wir denn die Möglichkeit und Reichweite (der Waffen) hätten.“

Doch dies wiederum hänge von den Partnern der Ukraine ab. Diese haben Kiew auch nach monatelangen Bitten nicht die Erlaubnis zum Einsatz weitreichender Waffen zu Angriffen gegen militärische Ziele auf russischem Staatsgebiet erteilt.

„Statt uns die entscheidende Reichweiten-Fähigkeit zu geben, schauen die USA, Grossbritannien und Deutschland nur zu“, klagte Selenskyj. „Alle warten, während nordkoreanische Einheiten sich darauf vorbereiten, Ukrainer anzugreifen.“

Selenskyj forderte die Unterstützer der Ukraine auf, einzugreifen. „Wer in der Welt wirklich verhindern will, dass sich dieser Krieg zwischen Russland und der Ukraine ausweitet und von Europa auf andere Regionen der Welt übergreift, darf nicht nur zuschauen.“

Erst am Vortag hatte das Weisse Haus von bis zu 8.000 Soldaten aus Nordkorea gesprochen, die im westrussischen Gebiet Kursk ständen. Washington geht von einem baldigen Kampfeinsatz dieser Einheiten aus. Weitere könnten folgen. Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Anwesenheit nordkoreanischer Soldaten im eigenen Land nicht bestritten und verwies darauf, dass auch die Ukraine auf Personal aus Nato-Staaten zurückgreife.

Das international isolierte Nordkorea liefert unter der Führung des diktatorisch regierenden Machthabers Kim Jong Un bereits seit längerem Raketen und Artilleriegeschosse an Russland.

Nordkoreas Aussenministerin Choe Son Hui hat Moskau inzwischen die Hilfe Pjöngjangs bis zum Sieg im Krieg gegen die Ukraine zugesichert. „Noch einmal versprechen wir, dass wir bis zum Tag des Sieges stets fest an der Seite unserer russischen Kameraden stehen werden“, sagte Choe bei einem Treffen mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Moskau. Lawrow hob dabei die enge Kooperation der Militärs und Sicherheitsorgane der beiden Länder hervor.

Bei einem russischen Raketenangriff auf eine Polizeistation in der ostukrainischen Grossstadt Charkiw ist am Abend nach offiziellen Angaben mindestens ein Mensch ums Leben gekommen. 26 Polizeibeamte sowie vier Zivilisten hätten bei dem Angriff teilweise lebensbedrohliche Verletzungen erlitten, teilte der regionale Militärverwalter Oleh Synjehubow auf der Plattform Telegram mit. „Die Ärzte kämpfen nun um ihr Leben.“

Nach ersten Ermittlungen war die Polizeidienststelle von mindestens zwei Raketen getroffen worden. Charkiw war in den vergangenen Monaten immer wieder Ziel russischer Luft- oder Raketenangriffe. Auch andere Städte der Ukraine werden ohne erkennbares Muster attackiert. Ziel dieser oft wahllos wirkenden Angriffe ist, die ukrainische Zivilbevölkerung unter Druck zu setzen.

Kurz darauf wurde aus der ostukrainischen Stadt Sumy ein russischer Angriff mit Kampfdrohnen gemeldet. Eine dieser Drohnen habe ein mehrstöckiges Wohnhaus getroffen, berichteten die Behörden. Dabei seien fünf Menschen schwer verletzt worden, unter ihnen eine Schwangere.

Die USA stellen der Ukraine zur Abwehr des russischen Angriffskriegs weitere Militärausrüstung zur Verfügung. Das neue Paket habe einen Umfang von rund 425 Millionen US-Dollar (rund 392 Millionen Euro), teilte das US-Verteidigungsministerium mit. Es enthalte unter anderem Munition für Raketenwerfersysteme vom Typ Himars und für das Luftverteidigungssystem vom Typ Nasams sowie Artilleriemunition mit den Kalibern 155 und 105 Millimeter.

Die USA sind der wichtigste Verbündete und grösste Waffenlieferant der Ukraine in deren Abwehrkampf gegen Russland. Nach Angaben des Pentagons haben die USA seit Kriegsbeginn militärische Hilfen im Umfang von mehr als 60,4 Milliarden US-Dollar (rund 55,7 Milliarden Euro) für Kiew bereitgestellt.

Der Ausgang der US-Präsidentenwahl in wenigen Tagen hat massgeblichen Einfluss darauf, ob Kiew auch in Zukunft noch im grossen Stil auf Unterstützung aus den USA hoffen kann oder nicht. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat gedroht, damit im Fall eines Wahlsieges nicht weiterzumachen.

Nach einem Bericht der „New York Times“, die sich auf US-Militär- und Geheimdienstquellen beruft, hat die Ukraine im bisherigen Verlauf des Kriegs bereits 57.000 Gefallene beklagt. Dies entspreche knapp der Hälfte der Verluste der russischen Seite, sei jedoch für die kleinere Ukraine von grosser Bedeutung. Angesichts der jüngsten Geländegewinne des russischen Militärs in der Ostukraine sei zudem eine bedrohliche Lage entstanden. Daher zweifelten US-Beobachter an der Fähigkeit der Ukrainer, das Vorrücken der russischen Truppen stoppen zu können.

Auch die „NYT“ sieht die wichtigste Entwicklung für Kiew „nicht auf dem Schlachtfeld, sondern an den Wahlurnen“ bei der Präsidentenwahl in den USA. Die unterschiedlichen Ausgangslagen bei dem Ex-Präsidenten Trump, der den Krieg schnell beenden wolle, während seine demokratische Gegnerin Kamala Harris die Ukraine weiter unterstützen wolle, „laste schwer auf den Ukrainern“.

US-Militärexperten sehen das aktuell grösste Problem der Ukraine nicht bei Waffen und Munition. Vielmehr sei das grösste Manko der Ukraine die Truppenstärke. Kiew habe zu lange gezögert, das Einberufungsalter von 25 Jahren zu senken, daher könnten dem Land die Truppen ausgehen. Daher schätze das Pentagon, so das Blatt weiter, dass die Ukraine noch für sechs bis zwölf Monate genügend Soldaten zur Verfügung habe.

(text:sda/bild:keystone)