Schweizer Luftwaffe könnte gemäss Armeechef vier Wochen durchhalten
Die Schweiz hat gemäss Armee-Chef Thomas Süssli nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine die Bereitschaft im Cyberbereich und bei der Durchhaltefähigkeit im Luftpolizeidienst erhöht. Bei erhöhter Bedrohung könnte die Schweiz die Luftverteidigung nur einen Monat lang aufrechterhalten.
Das liege daran, dass stets vier Kampfflugzeuge in der Luft sein müssten, sagte Süssli im Interview mit der „Schweiz am Wochenende“ vom Samstag. Mit den 36 F-35-Kampfjets sei das nicht länger als ein Monat möglich. „Das hat damit zu tun, dass wir die Verteidigungsfähigkeit der Armee 2003 auf den Kompetenzerhalt reduzierten“, erklärte Süssli.
Die Schweiz sei aber im Moment militärisch nicht bedroht, sagte Süssli. Dafür gebe es keine Anzeichen, auch wenn das Risiko natürlich höher sei als auch schon. Gleiches gelte für eine atomare Eskalation. Das Risiko sei klein, aber höher als auch schon.
Auch angesichts der angespannten Situation steht für den Armeechef ein Beitritt zur Nato zurzeit nicht zur Debatte. „Aber wenn wir in einen Krieg hineingezogen werden, fallen die neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen, und dann kann die Schweiz beispielsweise mit Nachbarländern zusammenarbeiten.“ Darum sei es wichtig, dass die militärischen Systeme der Schweiz kompatibel seien mit umliegenden Ländern und dass es gemeinsame Übungen gebe.
Bei der Luftwaffe, beim Heer und im Bereich Innovation prüfe die Armee ausserdem, ob es Projekte beim EU-Militärprojekt Pesco gebe, an denen die Armee teilnehmen könne. Als nicht EU-Mitglied könne die Schweiz nicht bei allen Programmen einsteigen. Eine politische Frage sei ausserdem, ob sich die Schweiz bei einer europäischen Luftüberwachung einbringen könnte. Es gehe auch hier um die Neutralitäts-Frage in dem Fall, wenn Land, mit dem ein Abkommen bestünde, in einen Konflikt hineingezogen würde.
Die Armee ist derzeit auch mit der Unterstützung bei der Aufnahme der Flüchtlinge im Einsatz. Sie stellt Kasernen und Mehrzweckhallen zur Verfügung. Diese bieten gemäss Süssli etwa 200 Plätze. „Gleichzeitig können wir auf Anfrage zum Beispiel Asylzentren administrativ und mit Sanitätsdiensten subsidiär unterstützen“, erklärte Süssli. Auch Feldbetten könnten bereitgestellt werden.
Süssli berichtet im Interview davon, wie der Nachrichtendienst des Bundes und der militärische Nachrichtendienst den Truppenaufmarsch beobachtet hätten. Bereits am 12. Februar hätten diverse Nachrichtendienste berichtet, dass ein Angriff unmittelbar bevorstehe. Der militärischer Nachrichtendienst der Schweiz sei zum Schluss gekommen, dass den russischen Truppen in Belarus die Unterstützungsmittel fehlten. „Daher taxierte er es als ‚eher unwahrscheinlich‘, dass sie zu diesem Zeitpunkt nach Kiew vorstossen“, sagte Süssli. Hingegen habe er es als „sehr wahrscheinlich“ bezeichnet, dass im Donbass etwas geschehe.
Süssli verfolgt die Lage seither „sehr genau“. „Die Nachrichtendienste liefern mit täglichen Bulletins Informationen. Zudem erhalte ich in einem gesicherten Chat Schlüsselnachrichten“, sagte Süssli. Oft seien dies Informationen aus nachrichtendienstlichen Quellen. Zudem informiere er sich auf Twitter und Telegram. „Aber da muss man vorsichtig sein. Es ist auch ein Informationskrieg, man kann nur wenigem glauben.“ Es hätten sich aber auch „zuverlässige Quellen“ etabliert.
Süssli zeigt im Interview ausserdem auf, wie schnell sich eine Situation ändern könne. „Als ich am 1. Januar 2020 mein Amt antrat, fragte ich mich, was in meiner Zeit als Armeechef passieren könnte. Ich dachte damals, das wahrscheinlichste Szenario sei ein Strom-Blackout. Wir hatten dann eine Pandemie – und jetzt haben wir einen Krieg in Europa.“
(text:sda/bild:unsplash)