Pensionskassenreform wird gemäss Hochrechnung vom Volk verworfen
Die jahrelangen Reformarbeiten bei der zweiten Säule sind gescheitert. Gemäss der ersten Hochrechnung des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG hat die Stimmbevölkerung die Vorlage mit 69 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Damit bleibt vorerst alles beim Alten.
Das Nein an der Urne kommt nicht ganz überraschend. Die BVG-Reform stand während des gesamten Abstimmungskampfs im Gegenwind. Die letzten Abstimmungsumfragen gingen von Nein-Anteilen von 51 Prozent (SRG) sowie 59 Prozent (Tamedia/“20 Minuten“) aus.
Das prognostizierte wuchtige Nein von fast 70 Prozent ist dennoch eine Überraschung. Der Fehlerbereich der ersten Hochrechnung beträgt plus/minus zwei Prozentpunkte.
Seit der Einführung der zweiten Säule im Jahr 1985 wurde das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) erst einmal umfassend reformiert, nämlich in den Nuller-Jahren. Seither sind mehrere Reformversuche gescheitert. Nun beginnen die Arbeiten erneut auf Feld eins.
Die BVG-Reform sollte die zweite Säule der Altersvorsorge finanziell stabilisieren, vor dem Hintergrund der wachsenden Zahl von Rentnerinnen und Rentnern, der steigenden Lebenserwartung und von sinkenden Renditen. Der Mindestumwandlungssatz für die Berechnung der Renten im obligatorischen Teil der Versicherung wäre von 6,8 auf 6 Prozent gesunken.
Dazu kommt es nun nicht. Auch die weiteren Punkte der Reform werden nicht umgesetzt: Menschen mit tiefen Einkommen im Alter hätten besser abgesichert werden sollen, sie und ihre Arbeitgeber aber auch mehr in die zweite Säule einzahlen müssen.
Die Pensionskassenreform hätte nach Angaben des Bundes vor allem Erwerbstätige betroffen, die nach BVG-Minimum oder nur wenig mehr versichert sind. Für wen die Reform wie ausgesehen hätte, wäre von der persönlichen Situation abhängig gewesen – etwa der beruflichen Laufbahn und dem Reglement der Vorsorgeeinrichtung.
Ein Erfolg ist das Nein für die Linke. Erneut hat sie bei einem sozialpolitischen Anliegen die Mehrheit der Bevölkerung überzeugen können. Die vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) angeführte Kampagne fokussierte darauf, dass mehr Menschen unter der Reform gelitten als profitiert hätten.
Mit der Vorlage müsse mehr in die zweite Säule einbezahlt werden, die Rente sei für viele aber trotzdem tiefer, monierten die Gegnerinnen und Gegner. Zudem hätten die Pensionskassen in den vergangenen zehn Jahren hohe Renditen erzielt und würden „in Geld schwimmen“.
Unterstützt wurde die Linke im Abstimmungskampf von acht Wirtschaftsverbänden. Die Vorlage führe zu Fehlanreizen beim Sparen und zu mehr Bürokratie und sei deshalb abzulehnen, argumentierte diese Seite.
Die Wirtschaftsdachverbände Economiesuisse und Arbeitgeberverband bezeichneten die BVG-Reform dagegen als überfällig und setzten sich für ein Ja ein. Im Ja-Komitee sassen Sozialpolitikerinnen und -politiker von SVP, FDP, Mitte-Partei, GLP und EVP.
Durch die Reform erhielten insgesamt deutlich mehr Personen eine höhere als eine tiefere Rente, lautete das Hauptargument der Befürwortenden. Das Risiko für Altersarmut werde dadurch gesenkt.
Das Parlament habe seine Lehren aus der Vergangenheit gezogen, sagte Mitte-Präsident Gerhard Pfister bei der Lancierung der Ja-Kampagne. Einerseits sei auf eine Vermischung der verschiedenen Säulen der Altersvorsorge verzichtet worden. Andererseits sei die Reform keine reine Sanierungsvorlage.
Die Mehrheit der Stimmbevölkerung sah dies offenbar anders. Vor allem Pensionskassen, die hauptsächlich obligatorische Mindestleistungen versichern, bleiben damit wegen der Demografie und der Zinssituation unter Druck.
Im Mittelpunkt steht nun die Frage, wie eine im Parlament und beim Volk mehrheitsfähige Pensionskassenreform aussehen könnte. Bei der nun gescheiterten Reform standen sich am Anfang des Prozesses die Sozialpartner an einem Tisch gegenüber. Der von ihnen ausgehandelte Kompromiss war im Parlament jedoch chancenlos.
(text:jkä/bild:keystone)