Schweiz muss Schwächen des Föderalismus analysieren
Die Schweiz muss aus Sicht des amtierenden Bundespräsidenten Guy Parmelin die Schwächen des Föderalismus in Krisen analysieren, um für künftige Herausforderungen besser gewappnet zu sein. Es gelte etwa, das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Staatsebenen zu optimieren.
Im Interview mit der „SonntagsZeitung“ machte Parmelin klar, dass nun die Lehren aus der Pandemie gezogen werden müssten. Der Föderalismus sei zwar eine tragende Säule der Schweiz, allerdings sei er gerade in Krisen manchmal schwerfällig und kompliziert. Gezeigt hat sich das etwa in jenen Situationen, in denen die Kantone zu den vom Bundesrat vorgeschlagenen Corona-Massnahmen Stellung nehmen konnten – und die Regierung daher nicht schnell entscheiden konnte.
Die Schweiz müsse sich aber auch fragen was geschehe, wenn es zwei Krisen gleichzeitig gebe – zum Beispiel eine Pandemie und parallel einen Strommangel. Die Gefahr von Stromunterbrüchen und Strommangellagen besteht in der Schweiz effektiv.
Daneben gebe es aber noch mehr Brennpunkte. „Aktuell ist ein besorgniserregender Preisanstieg bei einzelnen Lebensmitteln festzustellen“, sagte Parmelin. Die Schweiz sei zu 45 Prozent auf Lebensmittel aus dem Ausland angewiesen. Die wirtschaftliche Landesversorgung sei aber derzeit gewährleistet, sagte Parmelin.
Zur Medikamentenversorgung sagte Parmelin, dass die Schweiz bislang keine Industriepolitik betrieben habe und es jetzt falsch wäre, in die Arzneimittelproduktion einzusteigen und einen Medikamentenhersteller zu kaufen. Stattdessen müssten gute Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Pharma erfolgreich wirtschaften könne. Die Schweiz müsse etwa bei der inländischen Forschung, Entwicklung und Produktion von Impfstoffen ihre Position als Produktionsstandort stärken.
Guy Parmelin, der im kommenden Jahr von Aussenminister Ignazio Cassis als Bundespräsident abgelöst wird, äusserte sich im Interview auch zum Abbruch der Verhandlungen mit der EU über ein Rahmenabkommen. Der Rückzug sei kein Fehler, sondern Realpolitik gewesen. Es habe keine Möglichkeit gegeben für eine Einigung. Dazu, wie es nun weitergehen solle, sagte Parmelin lediglich, dass der Bundesrat seine Beratungen im Januar 2022 fortsetzen werde. Der zuständige EU-Kommissar Maros Sefcovic erwartet von der Schweiz bis Mitte Januar einen Fahrplan.
Parmelin blickte auch auf das Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Joe Biden im Sommer in Genf zurück, als die Schweiz Gastgeberin dieses Treffens war. Dieses habe ihm bestätigt, dass die Schweiz international eine wichtige Rolle spielen könne und müsse. Das Treffen habe die Position der Schweiz in der Welt gestärkt. „Man traut uns zu, international zu vermitteln und eine Rolle zu spielen“, sagte Parmelin.
Die Aufgabe der Schweiz sei es, mit möglichst allen gute Beziehungen zu pflegen. Zudem sei klar geworden, dass ein Bundespräsident auch internationale Kontakte pflegen müsse. Die Zeiten, in denen der Präsident sein Amtsjahr ausschliesslich daheim im Inland verbringen könne und solle, seien vorbei.
In der Schweiz sei für in ausserhalb der Corona-Thematik etwa die Gedenkfeier zum Attentat auf das Zuger Parlament vor 20 Jahren ein sehr emotionaler Moment gewesen. Man habe gespürt, dass viele der Überlebenden und der Hinterbliebenen das Ereignis nach wie vor nicht verarbeitet hätten.
Zudem sei das Hochwasser im Sommer schlimm gewesen. Zur Katastrophe sei es aber nicht gekommen dank dem Umstand, dass die Schweiz aus den Hochwassern von 2005 und 2007 die Lehren gezogen habe. Das stimme ihn für die Zukunft zuversichtlich.
(text:sda/bild:sda)