10 Dezember 2024

Nationalrat will Stromreserve gesetzlich verankern

Die Schweiz soll für künftige Energie-Mangellagen besser gerüstet sein. Zu diesem Zweck hat der Nationalrat am Dienstag als Erstrat Änderungen des Stromversorgungsgesetzes beschlossen. Diese verankern die heutigen notrechtlichen Regeln einer Stromreserve gesetzlich.

Rechtliche Grundlage der Stromreserve im Winterhalbjahr ist derzeit die bis Ende 2026 geltende Winterreserveverordnung. Sie regelt den Einsatz der Wasserkraftreserve sowie einer thermischen Reserve. Diese besteht aus Reservekraftwerken, gepoolten Notstromgruppen und WKK-Anlagen. Die gesetzliche Grundlage für eine Wasserkraftreserve legt das Stromversorgungsgesetz.

Das Risiko einer Strommangellage im Winter besteht für die Schweiz nach wie vor. Der Bundesrat will darum Massnahmen zur Absicherung der Versorgung auf unbestimmte Zeit gesetzlich verankern. Dazu gehören Reservekraftwerke, die mit Öl und Gas betrieben werden können.

Mit Änderungen im Stromversorgungsgesetz, im Energiegesetz und im CO2-Gesetz sollen die Versorgungssicherheit garantiert und die Auswirkungen auf Umwelt und Klima sowie die Kosten für die Stromverbrauchenden minimiert werden. Die Kosten für die thermische Reserve gehören zu den anrechenbaren Betriebskosten des Übertragungsnetzes. Dafür aufkommen werden müssen Endverbraucher und Endverbraucherinnen.

Grundsätzlich gab es im Nationalrat kaum Widerstand gegen die Vorlage. Kommissionssprecher Stefan Müller-Altermatt (Mitte/SO) betonte im Namen der Mehrheit, dass eine sichere Stromversorgung auch in extremen Lagen für die Schweiz von entscheidender Bedeutung sei. Eine Reserve ausserhalb des Strommarktes sei deshalb begrüssenswert.

„Es geht um eine Art Versicherung für den Fall, dass der Markt die Lücke nicht schliesst“, sagte Jon Pult (SP/GR). Mike Egger (SVP/SG) kritisierte in seinem Fraktionsvotum die „verfehlte links-grüne Energiepolitik“, welche die Vorlage überhaupt erst nötig mache.

„Wir sehen Nutzen einer thermischen Stromreserve“, hielt Mitte-Fraktionssprecherin Christine Bulliard-Marbach (FR) fest. Die Stromversorgungssicherheit habe oberste Priorität, sagte auch Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP/SG) im Namen ihrer Fraktion. Das Risiko einer Strommangellage im Winter bestehe für die Schweiz nach wie vor – auch wenn dieses gesunken sei, so Martin Bäumle (GLP/ZH).

Die Grünen wollten die Vorlage an den Bundesrat zurückweisen. Aus ihrer Sicht fokussiert diese zu fest auf den Betrieb neuer und teurer Gaskraftwerke. Stattdessen sollten nach Meinung der Fraktion Massnahmen gegen die Energieverschleuderung getroffen werden. Der Rückweisungsantrag scheiterte jedoch mit 25 zu 164 Stimmen.

Der Nationalrat nahm an der Vorlage des Bundesrats in der Detailberatung mehrere Änderungen vor. Mit einer auf Marktprodukten beruhenden Verbrauchsreserve will er erreichen, dass Verbraucher Strom nicht mehr beziehen, wenn die Preise eine bestimmte Schwelle erreichen. Das soll den Verbrauch senken, wenn der Strom knapp und teuer wird.

Weiter beschloss die grosse Kammer, dass Unternehmen mit Stromkosten von über zwanzig Prozent der Bruttowertschöpfung sich von den Kosten für die Stromreserve befreien lassen können. Voraussetzung dafür ist aber, dass sie einen Beitrag zur Verbrauchsreserve leisten und Strom sparen.

Weiter will der Nationalrat Reservekraftwerke, Notstromgruppen und WKK-Anlagen (Wärme-Kraft-Kopplung) im Rahmen der Stromreserve mit CO2-neutralen Treibstoffen laufen lassen, soweit das wirtschaftlich tragbar ist. Betreiber von WKK-Anlagen und Notstromgruppen sollen dazu gebracht werden, sich freiwillig an der Reserve zu beteiligen. Reicht das nicht, gilt eine Pflicht. Ziel ist es, den Bedarf an teurer neuer Infrastruktur wie Reservekraftwerken kleiner zu halten.

Abgelehnt hat der Nationalrat den Antrag, wonach Notstromgruppen mit über 750 Kilowattstunden Leistung grundsätzlich zwingend an der Reserve teilnehmen müssen. Nein sagte er auch dazu, dass mit Brennstoff betriebene Reservekraftwerke erst angeworfen werden, wenn hoheitliche Bewirtschaftungsmassnahmen zur Senkung des Verbrauchs nicht genügen.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 144 zu 49 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Nein stimmten die Grünen sowie Teile der SVP-Fraktion. Das Geschäft geht nun an den Ständerat.

(text:sda/bild:keystone)