31 August 2023

Ukraine bittet um Waffen

Angesichts erheblicher Verluste bei der Offensive gegen die russischen Invasoren hat die Ukraine Deutschland und die anderen EU-Staaten um weitere Waffen- und Munitionslieferungen gebeten.

Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba nannte am Donnerstag bei Gesprächen mit den Aussenministern der europäischen Partner Artilleriemunition, gepanzerte Fahrzeuge und Panzer. Um Russland die Produktion von Raketen und Drohnen zu erschweren, forderte er einen verstärkten Kampf gegen die Umgehung von Sanktionen. Deutschland drängte der Minister erneut zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern.

Unterdessen erzielte die ukrainische Armee nach eigenen Angaben Erfolge bei ihren Angriffen auf die heftig gesicherten russischen Verteidigungslinien im südlichen Gebiet Saporischschja. Ziel ist es, zu dem noch etwa 80 Kilometer entfernten Asowschen Meer vorzustossen und damit die Landverbindung zu der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim abzuschneiden.

Kuleba rief Deutschland „konstruktiv, freundlich und ohne Druck“ auf, endlich Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen. „Es gibt wirklich kein einziges objektives Argument gegen diese Entscheidung“, sagte er. „Das ergibt Sinn, weil es unserer Gegenoffensive hilft und damit dazu beiträgt, den Krieg früher zu beenden“, fügte Kuleba hinzu. Frankreich und das Vereinigte Königreich liefern bereits weitreichende Marschflugkörper.

Als Grund für die bisher ausgebliebene deutsche Entscheidung gelten Befürchtungen, die Taurus könnten von der Ukraine auch auf Ziele in Russland abgefeuert werden und Russland dann Vergeltung üben. Es wird deswegen für möglich gehalten, dass sie vor einer Freigabe technisch so verändert werden sollen, dass sich Ziele in Russland mit ihnen nicht anfliegen lassen.

Um ihre eigene Rüstungsproduktion weiter hochzufahren und nicht nur von ausländischen Waffenlieferungen abhängig zu sein, unterzeichnete die Ukraine mit dem grössten britischen Rüstungsunternehmen BAE Systems einen Vertrag zur gemeinsamen Waffenproduktion. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte bei einem Treffen mit der BAE-Fühung in Kyjiw, Waffen des Unternehmens seien bereits in der Ukraine im Einsatz. Geplant sei, eine gemeinsame Produktion leichter L119-Geschütze im eigenen Land zu entwickeln. Der deutsche Waffenhersteller Rheinmetall hat mit dem ukrainischen Rüstungskonzern Ukroboronprom bereits ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Dabei geht es zunächst um Reparatur und Wartung deutscher Panzer in der Ukraine. In Zukunft wollen beide Seiten auch gemeinsam Panzer bauen.

Die ukrainische Armee setzte ihre Offensive im Süden fort. Ukrainische Einheiten stiessen nach Angaben des Generalstabs südlich des Dorfes Robotyne in Richtung der Nachbarsiedlung Nowoprokopiwka vor. Östlich davon haben ukrainische Truppen unbestätigten Berichten zufolge in Richtung der Ortschaft Werbowe Geländegewinne erzielt. Der Generalstab sprach von erfolglosen russischen Gegenangriffen. Das US-Institut für Kriegsstudien ISW berichtete gestützt auf Videoaufnahmen, dass zumindest ukrainische Aufklärungstrupps den Dorfrand von Werbowe erreicht haben könnten. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen. Die vor gut zwölf Wochen im Süden begonnene Gegenoffensive konnte die Erwartungen bisher nicht erfüllen.

Kuleba reagierte mit drastischen Worten auf solche Vorhaltungen. „Kritik am langsamen Tempo der Gegenoffensive zu üben, bedeutet, dem ukrainischen Soldaten ins Gesicht zu spucken, der jeden Tag sein Leben hingibt und Kilometer für Kilometer ukrainischen Boden befreit“, sagte er. Er empfehle allen Kritikern, den Mund zu halten und selbst zu versuchen, in der Ukraine einen Quadratzentimeter zu befreien. Unter anderem die „New York Times“ hatte berichtet, die ukrainischen Streitkräfte seien nach Einschätzung westlicher Militärstrategen zu weit verteilt aufgestellt und hätten deshalb Probleme, die russischen Linien zu durchbrechen.

(text:sda/bild:keystone)