Kanton Bern feiert ein halbes Jahrhundert Frauenstimmrecht
Am 12. Dezember 1971 sagten die Berner Stimmbürger (hier ganz bewusst ohne -innen) Ja zum Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene, rund 10 Monate, nachdem die Schweiz als zweitletztes Land in Europa (noch vor dem Fürstentum Liechtenstein) selbiges auf Bundesebene eingeführt hatte. Dieses 50-Jahre-Jubiläum hat der Kanton Bern nun am Mittwoch gefeiert. Unter den Sprecher:innen waren unter anderen Bundesrätin Simonetta Sommaruga und die Berner Regierungspräsidentin Beatrice Simon. «Die erste Schweizerische Bundesverfassung von 1848 war ein demokratischer, liberaler Leuchtturm mitten in Europa. Mit einem Haken: Die Frauen blieben aussen vor» erklärte Simon in ihrem Grusswort. Sommaruga erinnerte daran, dass es noch viel zu tun gäbe, auch gerade, was die Lohngleichheit angehe. Das fange schon im Kindesalter an: Statistisch gesehen würden Mädchen 11 Prozent weniger Sackgeld erhalten, als Jungen, führte die Magistratin aus. Darum sei sie froh um solche Jubiläen. Die seien eine gute Gelegenheit, zurückzuschauen und Bilanz zu ziehen. Zurückschauen heisse auch, diejenigen Frauen zu würdigen, die in den 1950er und 1960er-Jahren für das Frauenstimmrecht gekämpft haben.
Tatsächlich stehen die beiden Politikerinnen auf den Schultern jener Frauen, die sich das Stimm- und Wahlrecht hart haben erkämpfen müssen, jene Frauen, die die gläserne Decke durchbrochen haben. Eine von diesen Frauen ist die Unterseener SP-Politikerin Margrit Schläppi-Brawand. Sie wurde 1976 als elfte Frau ins Berner Kantonsparlament gewählt und war 1986/87 die erste Grossratspräsidentin des Kantons Bern. Eine Frau an der Spitze des Berner Kantonsparlaments, damit hätten einige Herren der Schöpfung auch 15 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts noch Mühe gehabt, sagt Schläppi, dass eine Frau einen grossen Kanton repräsentiere, das gehe doch nicht, habe es damals geheissen. Genau darum habe sie sich auch keine Fehler erlauben dürfen. Männer, so Schläppi, hätten ab und zu „den Bock abgeschossen“, aber wenn sie als Frau sich hätte einen Fehler erlaubt, hätte es sofort geheissen, „da seht her, das kommt davon, wenn man diese Aufgabe einer Frau überlässt“.
Heute sind Frauen in der Politik eine Selbstverständlichkeit. 1971 hätte sich wohl kaum eine Bürgerin zu träumen gewagt, dass dereinst die Schweiz eine Frauenmehrheit im Bundesrat haben werde, so Schläppi weiter. Für die Schweizer Stimmbürgerinnen hat sie dann noch eine Botschaft: Man müsse das Frauenstimmrecht pflegen. Frauen müssten von ihrem Stimm- und Wahlrecht gebrauch machen, sonst drohe das zu versanden, ist Schläppi überzeugt, es gebe aber sicherlich immer genügend Männer, die dann in die Bresche springen.
50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz und im Kanton Bern. Die helvetische Vorzeigedemokratie hat dieses Manko sehr spät aus der Welt geschafft. Dank mutigen Frauen wie Margrit Schläppi glücklicherweise nicht noch später.
(text:cs/bild:screenshot livestream)