Hüterin der Wolfsrechte in Europa kritisiert Schweizer Wolftötungen
Das Büro der Berner Konvention hat die Schweizer Wolfspolitik kritisiert. Der präventive Abschuss von Wölfen wegen „potenzieller Schäden“ sei eine Fehlinterpretation der Konvention. Schweizer Wolfsschutzorganisationen forderten am Samstag einen sofortigen Stopp der Abschüsse.
Nur schwere Schäden könnten zu Wolfsabschüssen führen, schrieb das Büro der Berner Konvention in einem am Freitag publizierten Schreiben, das der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vorlag. Die von der Schweiz ratifizierte Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag des Europarats, der unter anderem die Wildtiere schützen soll.
Das Büro sei besorgt über weitere potenzielle Abschüsse von Wolfsrudeln. Für dieses sei der durch den Bundesrat festgelegten Schwellenwert von mindestens zwölf Rudeln in der Schweiz „willkürlich“. Die „politisch motivierte“ Regulierungspolitik könne zu einer „grossflächigen“ Tötung der Tiere führen, hiess es weiter.
Auch Christina Steiner, Präsidentin des Schweizer Wolfsschutzvereins CHWolf, sieht eine politische Motivation hinter den Abschüssen. Das Wolfsmanagement der Schweiz sei nicht wissenschaftlich fundiert, sagte Steiner auf Anfrage.
Die Rechtsgrundlagen für präventive Abschüsse – die Teile des revidierten Jagdgesetzes sind – hatte der Bundesrat im November 2023 befristet in Kraft gesetzt. Zwischen dem 1. Dezember des vergangenen Jahres und dem 31. Januar 2024 wurden rund 50 Tiere präventiv erlegt.
Gegen den Beschluss des Bundesrats hatte CHWolf eine Klage bei der Berner Konvention eingereicht. Dem Bund wurde daraufhin die Möglichkeit gegeben, zum Fall Stellung zu nehmen. In seinem Schreiben hielt er fest, dass die Regulierung der Rudel dazu diene, die verbleibenden Rudelmitglieder zu erziehen, indem sie dem Menschen und seinen Tätigkeiten gegenüber scheuer werden.
Das Büro der Berner Konvention befasste sich mit dem Fall im September und informierte nun die Streitparteien. Im Brief war weiter zu lesen, dass das Büro über angebliche ungenaue Kontrollen der von Wölfen verursachten Schäden und angebliche Manipulationen von Daten, um weitere Abschussaktionen zu rechtfertigen, beunruhigt sei.
Weiter habe das Büro davon Kenntnis, dass in der Schweiz Beschwerden wegen der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen abgewiesen worden seien. Dazu hielt es fest, dass die Berner Konvention unabhängig von der politischen Organisation von Unterzeichnerstaaten auf Bundesebene gewährleistet werden müsse.
Das Dossier werde jetzt dem ständigen Ausschuss der Konvention vorgelegt. Dieser soll Anfang Dezember an seiner Sitzung einen Entscheid fällen, wie die Wolfsschutzorganisationen CHWolf und Avenir Loup Lynx Jura am Samstag mitteilten. Steiner hoffte, dass die Schweiz gerügt und die Gesetzgebung so angepasst werde, dass sie mit den von der Schweiz unterzeichneten Verträge übereinstimme.
Ebenfalls im Dezember soll der Ausschuss über eine Lockerung des Wolfsschutzes entscheiden. Dies forderten kürzlich die Mitgliedstaaten der EU, die die Konvention ebenfalls ratifiziert haben.
In der Schweiz forderte die Umweltkommission des Ständerats am Freitag den Bundesrat auf, sich für eine Lockerung des Wolfsschutzes einzusetzen. So soll der Status des Wolfs in der Berner Konvention von „streng geschützt“ auf „geschützt“ gesenkt werden.
Um dies zu erreichen, braucht es eine Zweidrittelmehrheit der Vertragsparteien, wie ein Sprecher des Europarates kürzlich auf Anfrage sagte. Da der Berner Konvention 50 Parteien angehörten, müssten 34 Parteien der Absenkung zustimmen.
In den vergangenen zwanzig Jahren wurde unter anderem von der Schweiz bereits mehrmals gefordert, den Schutzstatus zurückzustufen. Bisher blieb der Wolf in der Liste der „strikt geschützten“ Tiere.
(text:sda/bild:keystone)