6 August 2024

Guerdats starke Reaktion ist Silber wert

Steve Guerdat wird mit der Stute Dynamix an den Spielen in Paris in der Einzel-Konkurrenz hinter dem Deutschen Christian Kukuk Zweiter. Der Jurassier zeigt eine starke Reaktion auf das Scheitern im Team-Wettbewerb.

Es lief wieder so, wie er sich das vorgestellt hatte. Es war wieder so, als hätte es diesen unerklärlichen Rückschlag in der Qualifikation für den Team-Wettkampf fünf Tage zuvor nicht gegeben. Guerdat war wieder die gewohnt harmonierende Einheit mit seinem Pferd.

Die elfjährige Stute Dynamix, mit der er ein Juwel seltenen Gütegrades in seinem Beritt hat, die ihn unter anderem im vergangenen September in Mailand zum Europameistertitel getragen hatte, zeigte sich wieder in gewohnter Verfassung. Sie war für ihn wieder die zuverlässige Partnerin.

In den Momenten nach dem Ritt zur Silbermedaille bekundete Guerdat Mühe, „die richtigen Worte zu finden“. Selbst für Spitzenreiter sei es selten, bei Olympischen Spielen nur schon eine Einzel-Medaille zu gewinnen. „Und ich habe jetzt schon zwei. Ich bin stolz auf mein Pferd und auch mein Team, und dass ich beweisen konnte, dass ich zu den Besten gehöre und der Gewinn der Goldmedaille in London kein Zufall war.“

Der nach dem Kauf einer Reitanlage in Elgg im Kanton Zürich sesshaft gewordene Jurassier ritt an diesem Dienstag nicht nur wie ein Champion. Er zeigte auch die Reaktion eines Champions nach einer aufwühlenden Zeit. Nach dem missratenen Auftritt am Bundesfeiertag war die Gemütslage bei ihm und im gesamten Schweizer Lager eine ganz andere gewesen. Guerdat, Martin Fuchs und Pius Schwizer hatten sich in einer Situation befunden, die so nie und nimmer erwartet worden war. Die Enttäuschung war entsprechend gross.

Guerdat fiel es auch mit Abstand schwer, das Geschehene einzuordnen, zu begründen. Er sprach von schwierigen, unangenehmen Tagen. Am ersten Tag nach der verpassten Qualifikation sei er „total durcheinander gewesen. Für mich und das Team war es etwas Neues. So etwas hatten wir mit Dynamix noch nie erlebt. Wir wussten nicht, was los war. Es ging darum, das Vertrauen zueinander zurückzugewinnen“.

Guerdat ging trotz Ungewissheit und Verunsicherung den gewohnten Weg. Der Entscheid, in der Vorbereitung keine Veränderungen vorzunehmen, war der richtige. Er und Dynamix waren wieder auf der Höhe der Aufgabe, einer sehr schwierigen Aufgabe, die höchste Anforderungen wie kaum jemals in einem Championat stellte, die Pferd und Reiter forderte, das eine oder andere Duo auch überforderte.

Guerdat war einer von lediglich drei Reitern, die den Normalparcours fehlerfrei hinter sich brachten. Ein Trio nur von 30 Finalisten in der Entscheidung – das Verdikt widerspiegelte die Komplexität des in den Park des Schlosses Versailles gebauten Kurses.

Im Stechen scheiterte Guerdat als Letztgestarteter am zweitletzten Hindernis, einem Steilsprung – die Entscheidung zugunsten von Kukuk auf dem Wallach Checker war gefallen. Der Bereiter im Stall von Landsmann Ludger Beerbaum, einem vierfachen Olympiasieger, hatte als Einziger auch den verkürzten Parcours ohne Makel absolvierte. Kukuk sicherte sich als erster deutscher Springreiter seit 28 Jahren und dem Triumph von Ulrich Kirchhoff in Atlanta Einzel-Gold. Einen Abwurf hatte auch der Dritte im Bunde, der Niederländer Maikel van der Vleuten, mit dem Wallach Beauville zu verzeichnen.

Guerdats zweiter Medaillengewinn zwölf Jahre nach dem Olympiasieg in London ist das insgesamt sechste Edelmetall für die Schweiz im Einzel-Wettkampf. Mit dem halben Dutzend schloss sich vorerst der Kreis. Vor 100 Jahren ebenfalls in Paris war der Basler Kavallerie-Offizier Alphonse Gemuseus auf seinem Dienstpferd Lucette Olympiasieger geworden.

Fuchs, der mit dem Schimmel-Wallach Leone Jei in der Qualifikation auch ohne Abwurf geblieben war, war ebenfalls drauf und dran, sich einen Platz im Stechen zu sichern, wurde dann aber zum grossen Pechvogel. Kurz nach Beginn seines Ritts rutschte er mit dem linken Fuss aus dem Steigbügel und vermochte das Missgeschick nicht mehr zu korrigieren.

Fuchs trotzte den besonderen Umständen. Auch für ihn lief es ungeachtet des massiven Nachteils lange, sehr lange so, wie er sich das vorgestellt hatte. Der Zürcher hielt „die Null“ bis zum letzten Hindernis. Dann fiel die Stange in den Sand.

(text:sda/bild:keystone)