Diese Regeln ändern sich zum Jahreswechsel 2021/2022
Einfachere Änderung des Geschlechtseintrags, neue Regeln bei der Invalidenversicherung, strengere Vorschriften für Schlachtbetriebe: Am 1. Januar 2022 treten verschiedene Gesetzes- und Verordnungsänderungen in Kraft. Ein Überblick in alphabetischer Reihenfolge:
AHV-NUMMER: Behörden in der Schweiz dürfen die AHV-Nummer neu systematisch verwenden, um Personen zu identifizieren. Ziel der in Kraft tretenden Gesetzesänderung ist es, Verwechslungen zu vermeiden und die Effizienz der Verwaltung zu steigern. Im Parlament äusserten Kritiker Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und bezweifelten den Mehrwert der Neuregelung.
ARMEE: Für Angehörige der Armee steht neu eine unabhängige Vertrauensstelle zur Verfügung. Diese soll bestehende interne Beratungs- und Betreuungsangebote bei Problemen im Zusammenhang mit dem Militärdienst ergänzen und auch ausserhalb der Militärdienste zur Verfügung stehen. Ziel ist insbesondere, Probleme, die für eine Behandlung auf dem Dienstweg ungeeignet sind, zu lösen und systematische Probleme zu erkennen.
BETREIBUNGEN: Die Betreibungsämter können neu eine Gebühr von acht Franken in Rechnung stellen, wenn der Schuldner aufgefordert wird, eine Betreibungsurkunde persönlich auf dem Amt entgegenzunehmen. Hingegen ist die Protokollierung eines Rückzugs einer Betreibung durch das zuständige Betreibungsamt künftig kostenlos.
BUNDESANGESTELLTE: Den Angestellten des Bundes werden neu vier statt zwei Wochen Vaterschaftsurlaub gewährt. Die Mitarbeitenden erhalten zudem bei der Wahl des Arbeitsortes und des Arbeitszeitmodells mehr Flexibilität. Das Bundespersonalrecht sieht dabei erstmals explizit vor, dass in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers oder im Homeoffice, aber auch in Co-Working-Spaces, Hub-Arbeitsplätzen oder flexiblen Teamräumen gearbeitet werden kann. Ein Recht auf Homeoffice besteht jedoch nicht.
GEBÜHREN: Vom neuen Jahr an muss der Preisüberwacher vor dem Erlass oder Ändern von Gebühren angehört werden. Er wird insbesondere die Einhaltung des Kostendeckungs- und des Äquivalenzprinzips kontrollieren. Eine stärkere Einbindung des Preisüberwachers hatte das Parlament mit einer überwiesenen Motion verlangt; der Bundesrat passte die Allgemeine Gebührenverordnung an.
GESCHLECHT: Menschen mit Transidentität oder einer Variante der Geschlechtsentwicklung können ihren Vornamen und das im Personenstandsregister eingetragene Geschlecht vom neuen Jahr an rasch und unbürokratisch ändern. Bei Personen über 16 Jahren reicht eine einfache Erklärung, sofern die Erwachsenenschutzbehörde nichts anderes angeordnet hat. Die Änderung des Eintrags kostet 75 Franken.
GESUNDHEIT: Neuigkeiten gibt es auch bei den Zulassungskriterien im Gesundheitswesen. Ärztinnen und Ärzte, die eine ambulante Praxis eröffnen wollen, müssen mindestens drei Jahre lang an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte im beantragten Fachgebiet gearbeitet haben. Sie müssen sich zudem dem elektronischen Patientendossier anschliessen und über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügen.
GESUNDHEITSKOSTEN: Mehrere gesundheitspolitischen Massnahmen sollen Prämien- und Steuerzahlende entlasten. So sollen etwa alle Versicherten eine Rechnungskopie für ihre Behandlungen erhalten, und für den ambulanten Bereich wird eine nationale Tariforganisation geschaffen. Bei Sanktionen wird eine maximale Bussenhöhe festgesetzt. Die Massnahmen sind Teil eines Pakets, welches das Parlament beschlossen hat; weitere Teile davon treten Anfang 2023 in Kraft.
HÄUSLICHE GEWALT: Opfer von häuslicher Gewalt und Stalking sollen mit einer neuen Bestimmung über die elektronische Überwachung von zivilrechtlichen Rayon- und Kontaktverboten besser geschützt werden. Hilfe suchenden Opfern steht neu eine nationale Telefonnummer zur Verfügung.
INVALIDENVERSICHERUNG: Neues bringt 2022 für Rentnerinnen und Rentner der Invalidenversicherung (IV). Bei einem Invaliditätsgrad zwischen 40 und 69 Prozent gibt es neu ein stufenloses Rentensystem – Erwerbsarbeit soll sich für die Betroffenen immer lohnen. Wie heute wird eine Vollrente ab 70 Prozent Invalidität zugesprochen. Jugendliche und Kinder mit gesundheitlichen Problemen und psychisch Kranke sollen zudem von Fachleuten gezielt unterstützt werden, damit sie nicht auf Dauer von IV-Renten abhängig werden. Bei medizinischen Begutachtungen werden Massnahmen zur Qualitätssicherung und für mehr Transparenz eingeführt.
KLIMA: Autoimporteure müssen neu auch für die klimaschädlichsten Fahrzeuge Bussen bezahlen, wenn sie die CO2-Zielwerte verfehlen. Bis anhin konnten die Importeure in einer Übergangsphase einen Teil ihrer Personenwagen, Lieferwagen und leichten Sattelschlepper von der Überprüfung der CO2-Zieleinhaltung ausschliessen. Es handelte sich dabei jeweils um die klimaschädlichsten Modelle ihrer Flotte. Die Abgabe kostet pro Tonne CO2 neu 120 statt 96 Franken. Der Automatismus spielt, weil die Emissionen aus der Verbrennung von Heizöl und Erdgas zu wenig schnell sinken. Neu müssen zudem Chemieunternehmen Lachgasemissionen vermeiden, ebenfalls zugunsten des Klimaschutzes.
LANDWIRTSCHAFT: Flächen, auf denen Industriehanf zur Fasernutzung oder zur Verwendung als Nahrungsmittel angebaut wird, berechtigen neu zu Direktzahlungen. Künftig gibt es auch Sanktionen, wenn Bauern die neu in der ökologischen Leistungsnachweise aufgenommene Regelung zur Lagerung und Ausbringung von Hofdünger nicht einhalten.
LUFTVERKEHR: Das Personal an Flughäfen wird ab 1. Januar genauer unter die Lupe genommen. Die Schweiz gleicht die Sicherheitsüberprüfung an jene der EU an. Neu müssen zwingend polizeiliche und nachrichtendienstliche Informationen eingeholt werden. Massnahmen aus dem Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) treten vorzeitig in Kraft. Das ganze PMT tritt voraussichtlich in der ersten Hälfte 2022 in Kraft.
PERSONENFREIZÜGIGKEIT: Kroatinnen und Kroaten können ab nächstem Jahr voll von der Personenfreizügigkeit in der Schweiz profitieren. Überschreitet die Zuwanderung von kroatischen Arbeitskräften einen bestimmten Schwellenwert, kann sich die Schweiz auf eine Schutzklausel berufen und die Zahl der Bewilligungen ab 1. Januar 2023 erneut begrenzen. Diese Begrenzung wäre jedoch nur noch bis Ende 2026 möglich.
PREISE: Im Kartellgesetz und im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gelten neue Massnahmen, um die „Hochpreisinsel Schweiz“ zu bekämpfen. Eine davon ist das sogenannte Geoblocking-Verbot. Mit Geoblocking verhindern Onlinehändler, dass Schweizer Kunden direkt in ausländischen Stores einkaufen können, zu dortigen Preisen. Die Gesetzesänderungen sind ein Gegenvorschlag zur Fair-Preis-Initiative.
STEUERN: Erbinnen und Erben können die Verrechnungssteuer auf Erbschaftserträgen ab sofort in ihrem Wohnkanton zurückfordern. Damit wird verhindert, dass die Verrechnungssteuer doppelt zurückerstattet wird. Zudem wird die private Nutzung des Geschäftsfahrzeugs mit einer Pauschale besteuert, die neu auch die Fahrkosten zum Arbeitsort umfasst.
TIERE: Neue Vorschriften für Schlachtmethoden sollen für Tiere Stress und Leid verringern. Zum Beispiel gibt es erstmals Vorgaben für die Schlachtung von Fischen und Panzerkrebsen. Hühner und Truthühner sollen statt wie heute ausschliesslich mit CO2 auch mit schonenderen Gasgemischen getötet werden können.
UNTERHALTSZAHLUNGEN: Die Inkassohilfe bei familienrechtlichen Unterhaltsansprüchen wird vereinheitlicht. Damit werden unterhaltsberechtigte Personen ab 1. Januar in allen Kantonen gleich behandelt, wenn sie die ihnen zustehenden Gelder nicht erhalten. Heute ist es den Kantonen überlassen, die Inkassohilfe zu gestalten. Sie erhalten nun zwei Jahre Zeit für die Umstellung.
VERSICHERUNGEN: Neues gibt es im Umgang mit Versicherungen: Das revidierte Versicherungsvertragsgesetz bringt beispielsweise ein Widerrufsrecht von 14 Tagen. Verträge mit langer Laufzeit können nach drei Jahren beendet werden. Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus Versicherungsverträgen wird von zwei auf fünf Jahre erhöht. Auch Anpassungen für den elektronischen Geschäftsverkehr werden vorgenommen.
WAFFEN: Waffengeschäfte müssen sich besser gegen Einbrüche sichern. Für Fenster und Türen etwa gelten höhere Sicherheitsstandards. Hinzu kommt eine obligatorische Videoüberwachung. Grund für die Verschärfung der Sicherheitsvorschriften sind mehrere Einbrüche und Einbruchsversuche bei Schweizer Waffenhandlungen. Den Tätern fielen dabei mehrere hundert Schusswaffen in die Hände. Die zusätzlichen Massnahmen sollen verhindern, dass Kriminelle an Waffen gelangen.
(text:sda / bild:pixapay)